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von Beatrice » 1. Oktober 2020, 23:39
Hallo zusammen
Auch ich winde Alexi ein Kränzchen, dass junge Leute mit Beeinträchtigung eingestellt wurden und Du Dich um deren Wohl sorgst. Ich denke auch, dass sich mit dem Einleben in einen Betrieb, mit dem Entstehen mancher Freundschaften bzw. guter Beziehungen zu anderen Arbeitskollegen so manche Gehemmtheit oder Unsicherheit legen wird.
Irgendwo neu sein ist für viele Menschen nicht gerade das, wo sie sich augenblicklich wohl fühlen.
Ich selber habe mit meiner Beeinträchtigung (schwere Sehbehinderung) eine Lehre gemacht im Verkauf. Doch mein Arbeitgeber meinte es nicht so gut mit mir, wie er vorgab. Ohne mein Wissen, hat er mich bei der IV angemeldet und nach der Lehre, die ich mit 5.2 abschloss (wäre noch besser geworden, wenn er mich je an der Kasse geschult hätte) speiste er mich mit einem Lohn von 1200 Franken ab (Lehrabgänger bekamen normal damals zwischen 2400 bis 2600 Franken Lohn). Als ich mich wehrte, bekam ich die Antwort, den Rest, also nochmals 1200 Franken bezahle die IV. Das stimmte aber nicht, denn unsere IV bezahlt keine halben Löhne, sondern nur halbe Renten. Ich wusste es nicht, bis ich es wusste, war es zu spät. Nachher bekam ich auch immer zu hören, wenn man einmal in der IV ist, kommt man nicht mehr raus -und wenn man doch raus kommt, kommt man nie mehr rein - das ist alles Mist, aber so hat die HR in der als sozial bekannten Migros Genossenschaft bei mir anno 1989 argumentiert -und überall wurde ich schlecht gemacht. Man warf mir Schwankungen vor und anderes mehr.
Seltsamerweise bemerkten meine anderen Mitarbeiter nie was von Schwankungen, alle lobten meine Saubere Arbeitsweise, nur die Vorgesetzen fanden immer noch ein Haar in der Suppe.
Orphan, ist Dein Sohn via IV in den Betrieb gekommen oder ist er eigenständig unterwegs? Mit meiner negativen Erfahrung kann ich Dir nur raten, die IV so lange wie möglich aus dem Spiel zu lassen. Je länger er voll verdienen kann, umso besser fällt eines Tages, wenn es sein müsste, seine Rente aus. ich habe nie voll verdient und das ist mein grosses Verhängnis, das mir das ganze Arbeitsleben versauert. Heute ist es leicht anders, denn ich habe ja die Vollrente mit dem Erblinden des rechten Auges bekommen, aber die Vollrente ist tief, genau wegen diesem Umstand, dass ich seit Beginn des richtigen Arbeitslebens - nach der Lehre, nur die Hälfte verdient habe -und die halbe Rente dazu bekam (statt 2400 Franken nur 1834 brutto) - ich muss Dir nicht erzählen, um wieviele tausend Franken mich die nette Migros betrogen hat.
Als der Rentenbescheid kam, war ich total am Boden. Sämtliche Diskussionen nützten nichts, ich wurde nur belächelt und mit den Lügen abgespeist, dass man mir überall eine Rente bezahlen würde, wenn ich kündige und woanders hingehe. ich habe immer 100% gearbeitet, kein Kunde hat gemerkt, dass ich schwacher sein soll, als die anderen, Aber ich habe nie 100% verdient. Aktennotizen mit gegenteiligen Versprechen (mündlich) wurden vernichtet - es war eine ganz miese Erfahrung -und ich hoffe für alle, die heute neu mit einer Beeinträchtigung ins Arbeitsleben eintreten, dass sie auf Arbeitgeber treffen, die wirklich ein Herz und eine Hochachtung für die jungen Leute haben, die mit erschwerten Gegebenheiten eine Lehre machen und alltäglich ihr Bestes geben.
Die HR-Damen , ich konnte bei keiner was Humanes finden.
Ich habe über meine Wut damals, als der Rentenbescheid kam, ein Gedicht geschrieben. Es ist nicht das Stilreinste, aber es zeigt halt doch viel und es ist bitter, wenn man in so einem Betrieb gefangen ist, der einen gar nicht unterstützt und immer nur die Schwächen hervorhebt, statt die Stärken zu sehen, die es immer gibt - bei jedem -und ganz egal, was er oder sie hat.
Ich hab auf ihn gewartet über ein Jahr
seit einer Woche ist er da:
Ein Brief mit Informationen zu meinem Lohn
und zu der Rente, s'ist wahrlich ein Hohn.
Aus einem mickrigen Lohn berechnet ihr den Invaliditätsgrad
Ich hätt eine gescheitere Lösung für Euch parat
man berechnet aus einem Invaliditätsgrad die Lohnsumme
umgekehrt machens nur Dumme.
Doch leider glauben viele Leute
dem Leitspruch von der Migros heute
in allem sozial zu den Sozial Schwachen
mit den Pensionierten alljährlich einen Ausflug machen
Behinderte einstellen zu 100%
unter dem Deckmantel, der sich Barmherzigkeit nennt
und dann bloss die Hälfte zahlen, jedoch
noch trösten und LÜGEN, den Rest bezahlt die IV noch
Für all das zu danken, das ginge zu weit
Schämt Euch Eurer *Barmherzigkeit*!!!
B.P. 1991
(diese Schilderungen betreffen die M Ostschweiz, die Migros der Zentralschweiz ist offenbar wirklich humaner. Ich habe einen Cousin, der immer wieder Depressionen erleidet und in die Klinik muss. Trotzdem steht die dortige Migros hinter ihm, er bekommt keine Rente, sondern einen vollen, anständigen Lohn - so wie es sein sollte)
In diesem Sinne, nützt die Betroffenen nicht aus, behandelt sie so, wie Ihr es selbst wolltet, wenn ihr eine Beeinträchtigung hättet. Die Rente kann helfen, wenn sie fair ist, aber wenn es ohne geht, ist es immer besser
LG
Bea