schwerer kombinierter Immundefekt - Austausch mit anderen Betroffenen Eltern gesucht
Verfasst: 16. Januar 2011, 14:04
Hallo zusammen!
Unser Sohn ist anno 2005 geboren und hat eine schlimme Vergangenheit hinter sich.
N.und ich geraten ständig aneinander, wegen nichts. Das aktuellste Beispiel: Er hat sich heute Morgen ein Weggli gewünscht und es auch bekommen, und es den ganzen Tag nicht gegessen. Dann sollte er es halt zum Znacht essen! Er hat es wieder einmal auf die Spitze getrieben und immer wieder versucht, sich rauszuwinden. Schlussendlich hat er es gegessen...
Das tönt banal. Aber wir haben dauernd solche Machtkämpfe. Das belastet unsere Beziehung enorm. Ich fühle mich oft als schlechte Mutter und fühle mich oft allein mit all den Problemen und Sorgen, die auf meinen Schultern lasten.
Ich bin es gewohnt N.zu pflegen und zu schauen, dass er gedeiht, aber mit den Jahren, die ich das schon mache, ist irgendwie die Wärme verloren gegangen. Das macht mir Angst...
Unser Sohn ist ein Einzelkind, ein absolutes Wunschkind. Zwei Wochen nach seiner Geburt fingen die Probleme an, er wurde krank. Die nächsten Monate verbrachte er im Kinderspital, wo die Aerzte versuchten, herauszufinden was ihm fehlt. Kaum hatte ich mein Bébé, wurde es von Fremden betreut. Mir wurde gesagt, was ich wie und wann zu machen hatte. Dann kam die niederschmetternde Nachricht: schwerer kombinierter Immundefekt. Uns wurde der Boden unter den Füssen weggezogen. Alles was wir uns erhofft und vorgestellt hatten, war jetzt nicht mehr möglich. Wir lebten ein Leben voller Einschränkungen und hatten nur ein Ziel: Unser Kind darf unter keinen Umständen krank werden, weil sein Immunsystem praktisch nicht vorhanden ist und ein Schnupfen tödlich sein könnte. Unser Alltag war lange Zeit sehr "unnormal".
In den letzten secheinhalb Jahren erlebten wir so viel, wie andere in sechzehn Jahren erleben. Unter anderem eine Gentherapie in Mailand, wo N. wochenlang in einem sterilen Zelt verbringen musste.
Seine schwere Vergangenheit hat N. sicher geprägt, einige Male hing sein Leben an einem Faden, die Zeit hat auch uns geprägt.
N. ist in so vielen Dingen speziell, es sind eigentlich Kleinigkeiten, die ich fast nicht erzählen kann. Er reagiert oft ganz komisch auf die normalsten Sachen, er sagt oft ganz komische Sachen, er hat diverse Tics, Verhaltensauffälligkeiten, ADHS, eine schwere Essstörung, "schlechte" Umgangsformen...
Ich bin die meiste Zeit mit ihm zusammen und oft ist das Zusammensein mit ihm fast unerträglich. Einfach weil ich Mühe habe, sein Speziell-Sein zu akzeptieren. Er kann sich nicht wie andere Kinder beschäftigen, er ist planlos, er klebt an mir und engt mich irgendwo ein. Ich darf ihn nicht umarmen, Herzlichkeit und Wärme gibt es selten. Uns verbindet viel, natürlich habe ich ihn sehr gern, aber manchmal ist er mir so fremd. Das spürt er natürlich...
Unsere Geschichte ist sehr komplex und schwierig. Ich habe schon bei verschiedenen Stellen Hilfe gesucht, habe auch einen engen Kontakt zu meiner Familie. Freundinnen habe ich leider nur wenige. Bei niemandem fand ich bisher eine wirkliche Stütze, entweder waren die Leute zu weit weg von unserer Situation, oder zu nah dran, wie meine Familie. Mit meinem Mann kann ich schon reden, aber er ist halt nicht der "Kommunikationstyp", es muss also meistens von mir aus kommen.
Wie ich mir eine Stütze vorstelle? Das ist genau mein Problem, denn ich weiss gar nicht mehr, was mir gut tut, wie ich tanken kann. In den letzten Jahren war immer N. im Zentrum und meine Bedürfnisse waren nicht so wichtig. Ich habe mir schon immer wieder die eine oder andere Auszeit genommen und jetzt wo N. in der Schule ist, habe ich viel Zeit "frei" von ihm. Aber die Gedanken im Kopf kann ich oft nicht abstellen. Es ist schon so, dass N. mein Leben ist, auch wenn er nicht bei mir ist, denke ich über irgendetwas, das mit ihm zusammenhängt, nach. Ich habe Mühe mich auf andere Themen einzulassen, ich gehe meinen früheren Hobbies nicht mehr nach und weiss effektiv nicht, wie und wo ich tanken kann. Mir wird oft gesagt: Schau zu dir, gönn dir etwas!! Aber ich kann das irgendwie nicht, habe es wie verlernt. Tönt komisch, oder?
Eine Stütze wäre mir glaub ich eine Person, bei der ich erzählen könnte, was mich bedrückt, die mir zuhören würde, einfach mit mir reden würde, aber ohne das Gleiche von mir zu erwarten. Bei meinen Kolleginnen bin ich die, die das offene Ohr hat und mit Rat und auch Tat da ist... Meine Probleme haben da oft keinen Platz. Mein Mann hört mir zwar zu, ist aber selber oft sehr ratlos und am Anschlag. Meine Familie ist irgendwie emotional zu nah dran. Ein Psychologe dagegen ist zu weit weg.
Ich möchte die Last einfach manchmal teilen können. Hören, dass ich das, was ich mache, eigentlich gar nicht so schlecht mache.
Leider gibt es in der Schweiz keinen vergleichbaren Fall, wie den von N., daher gibt es auch keine Selbsthilfegruppe. Zudem bin ich nicht unbedingt der offene Typ, schreiben ist mir viel lieber als reden, ausser ich kenne mein Gegenüber sehr gut.
Als N. letzten Frühling in die Schule kam, hatte ich plötzlich stundenlang Zeit für mich, er besucht eine heilpädagogische Tagesschule mit Taxidienst. Am Anfang empfand ich das als Luxus, bald merkte ich aber, dass ich meine freie Zeit ausfüllen musste. Was nicht einfach war, da ich ja eben keine Hobbies (mehr) habe. Meine Batterie war ziemlich leer und ich hatte Mühe, mich aufzuraffen, etwas Neues anzufangen. Unterdessen habe ich diverse kleine Aufgaben übernommen, bin auch zu 10% fest angestellt, so dass ich mein kleines Wochenprogramm habe und ein Sackgeld verdiene. Wirklich ausfüllen oder erfüllen tun mich aber diese Dinge nicht.
Ich bin zu viel allein, einsam und verkrieche mich schnell einmal in ein Schneckenhaus.
Und da fehlt mir eben diese Stütze, dieser jemand der mich aufbaut und unterstützt und hilft zu tragen. natürlich wünschte ich mir, dass mein Mann diese Rolle übernehmen würde... Für ihn ist die ganze Situation anders, er arbeitet den ganzen Tag, hat dadurch andere Dinge im Kopf und erlebt N. nur am Abend und am Wochenende. Alle "unatraktiven" Dinge wie die Medikamentengabe, Ernährung, Schulfragen, alltägliche Machtkämpfe beim Anziehen, Spielen, Aufgaben machen, ... erlebt er nur am Rand. Wenn ich mit ihm darüber reden möchte, blockt er oft ab und gibt mir das Gefühl, dass es ihn nicht interessiert. Dann ziehe ich mich zurück, die Stimmung kippt, der Abend ist gelaufen, ich fühle mich allein nd einsam, ... Ein Teufelskreis...
Solange ich physisch und psychisch zwäg bin, ist unser "Familiengerüst" recht stabil. Bin ich angeschlagen, läuft es schlecht. Ich bin der Barometer. Seit vier jahren weiss ich, dass ich Multiple Skerose habe. Eine zusätzliche Last. Auch wenn die Krankheit nicht agressiv verläuft, gibt es einige Einschränkungen, die ich fast täglich spüre: Probleme mit der Verdauung, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen... Dazu kommen zeitenweise Gefühlsstörungen in Armen und Beinen.
Manchmal überkommt mich ein Gefühl des Selbstmitleids, die Frage "Warum muss ich so viel Pech haben?" Und manchmal wenn es mir wirklich gut geht, denke ich "Ich schaffe das alles, ist doch nur halb so schlimm!"
Wer N trifft, sieht einen härzigen Jungen, der völlig gesund und "normal" aussieht. Wir werden oft gefragt: "Wie geht es ihm und euch?" Manchmal weiss ich gar nicht was ich antworten soll. Denn eigentlich geht es ihm ja gut. Aber nur dank diversen Medis und Infusionen und stundenlangen Therapien im Spital und und und...
Liebe Grüsse
Christine
Unser Sohn ist anno 2005 geboren und hat eine schlimme Vergangenheit hinter sich.
N.und ich geraten ständig aneinander, wegen nichts. Das aktuellste Beispiel: Er hat sich heute Morgen ein Weggli gewünscht und es auch bekommen, und es den ganzen Tag nicht gegessen. Dann sollte er es halt zum Znacht essen! Er hat es wieder einmal auf die Spitze getrieben und immer wieder versucht, sich rauszuwinden. Schlussendlich hat er es gegessen...
Das tönt banal. Aber wir haben dauernd solche Machtkämpfe. Das belastet unsere Beziehung enorm. Ich fühle mich oft als schlechte Mutter und fühle mich oft allein mit all den Problemen und Sorgen, die auf meinen Schultern lasten.
Ich bin es gewohnt N.zu pflegen und zu schauen, dass er gedeiht, aber mit den Jahren, die ich das schon mache, ist irgendwie die Wärme verloren gegangen. Das macht mir Angst...
Unser Sohn ist ein Einzelkind, ein absolutes Wunschkind. Zwei Wochen nach seiner Geburt fingen die Probleme an, er wurde krank. Die nächsten Monate verbrachte er im Kinderspital, wo die Aerzte versuchten, herauszufinden was ihm fehlt. Kaum hatte ich mein Bébé, wurde es von Fremden betreut. Mir wurde gesagt, was ich wie und wann zu machen hatte. Dann kam die niederschmetternde Nachricht: schwerer kombinierter Immundefekt. Uns wurde der Boden unter den Füssen weggezogen. Alles was wir uns erhofft und vorgestellt hatten, war jetzt nicht mehr möglich. Wir lebten ein Leben voller Einschränkungen und hatten nur ein Ziel: Unser Kind darf unter keinen Umständen krank werden, weil sein Immunsystem praktisch nicht vorhanden ist und ein Schnupfen tödlich sein könnte. Unser Alltag war lange Zeit sehr "unnormal".
In den letzten secheinhalb Jahren erlebten wir so viel, wie andere in sechzehn Jahren erleben. Unter anderem eine Gentherapie in Mailand, wo N. wochenlang in einem sterilen Zelt verbringen musste.
Seine schwere Vergangenheit hat N. sicher geprägt, einige Male hing sein Leben an einem Faden, die Zeit hat auch uns geprägt.
N. ist in so vielen Dingen speziell, es sind eigentlich Kleinigkeiten, die ich fast nicht erzählen kann. Er reagiert oft ganz komisch auf die normalsten Sachen, er sagt oft ganz komische Sachen, er hat diverse Tics, Verhaltensauffälligkeiten, ADHS, eine schwere Essstörung, "schlechte" Umgangsformen...
Ich bin die meiste Zeit mit ihm zusammen und oft ist das Zusammensein mit ihm fast unerträglich. Einfach weil ich Mühe habe, sein Speziell-Sein zu akzeptieren. Er kann sich nicht wie andere Kinder beschäftigen, er ist planlos, er klebt an mir und engt mich irgendwo ein. Ich darf ihn nicht umarmen, Herzlichkeit und Wärme gibt es selten. Uns verbindet viel, natürlich habe ich ihn sehr gern, aber manchmal ist er mir so fremd. Das spürt er natürlich...
Unsere Geschichte ist sehr komplex und schwierig. Ich habe schon bei verschiedenen Stellen Hilfe gesucht, habe auch einen engen Kontakt zu meiner Familie. Freundinnen habe ich leider nur wenige. Bei niemandem fand ich bisher eine wirkliche Stütze, entweder waren die Leute zu weit weg von unserer Situation, oder zu nah dran, wie meine Familie. Mit meinem Mann kann ich schon reden, aber er ist halt nicht der "Kommunikationstyp", es muss also meistens von mir aus kommen.
Wie ich mir eine Stütze vorstelle? Das ist genau mein Problem, denn ich weiss gar nicht mehr, was mir gut tut, wie ich tanken kann. In den letzten Jahren war immer N. im Zentrum und meine Bedürfnisse waren nicht so wichtig. Ich habe mir schon immer wieder die eine oder andere Auszeit genommen und jetzt wo N. in der Schule ist, habe ich viel Zeit "frei" von ihm. Aber die Gedanken im Kopf kann ich oft nicht abstellen. Es ist schon so, dass N. mein Leben ist, auch wenn er nicht bei mir ist, denke ich über irgendetwas, das mit ihm zusammenhängt, nach. Ich habe Mühe mich auf andere Themen einzulassen, ich gehe meinen früheren Hobbies nicht mehr nach und weiss effektiv nicht, wie und wo ich tanken kann. Mir wird oft gesagt: Schau zu dir, gönn dir etwas!! Aber ich kann das irgendwie nicht, habe es wie verlernt. Tönt komisch, oder?
Eine Stütze wäre mir glaub ich eine Person, bei der ich erzählen könnte, was mich bedrückt, die mir zuhören würde, einfach mit mir reden würde, aber ohne das Gleiche von mir zu erwarten. Bei meinen Kolleginnen bin ich die, die das offene Ohr hat und mit Rat und auch Tat da ist... Meine Probleme haben da oft keinen Platz. Mein Mann hört mir zwar zu, ist aber selber oft sehr ratlos und am Anschlag. Meine Familie ist irgendwie emotional zu nah dran. Ein Psychologe dagegen ist zu weit weg.
Ich möchte die Last einfach manchmal teilen können. Hören, dass ich das, was ich mache, eigentlich gar nicht so schlecht mache.
Leider gibt es in der Schweiz keinen vergleichbaren Fall, wie den von N., daher gibt es auch keine Selbsthilfegruppe. Zudem bin ich nicht unbedingt der offene Typ, schreiben ist mir viel lieber als reden, ausser ich kenne mein Gegenüber sehr gut.
Als N. letzten Frühling in die Schule kam, hatte ich plötzlich stundenlang Zeit für mich, er besucht eine heilpädagogische Tagesschule mit Taxidienst. Am Anfang empfand ich das als Luxus, bald merkte ich aber, dass ich meine freie Zeit ausfüllen musste. Was nicht einfach war, da ich ja eben keine Hobbies (mehr) habe. Meine Batterie war ziemlich leer und ich hatte Mühe, mich aufzuraffen, etwas Neues anzufangen. Unterdessen habe ich diverse kleine Aufgaben übernommen, bin auch zu 10% fest angestellt, so dass ich mein kleines Wochenprogramm habe und ein Sackgeld verdiene. Wirklich ausfüllen oder erfüllen tun mich aber diese Dinge nicht.
Ich bin zu viel allein, einsam und verkrieche mich schnell einmal in ein Schneckenhaus.
Und da fehlt mir eben diese Stütze, dieser jemand der mich aufbaut und unterstützt und hilft zu tragen. natürlich wünschte ich mir, dass mein Mann diese Rolle übernehmen würde... Für ihn ist die ganze Situation anders, er arbeitet den ganzen Tag, hat dadurch andere Dinge im Kopf und erlebt N. nur am Abend und am Wochenende. Alle "unatraktiven" Dinge wie die Medikamentengabe, Ernährung, Schulfragen, alltägliche Machtkämpfe beim Anziehen, Spielen, Aufgaben machen, ... erlebt er nur am Rand. Wenn ich mit ihm darüber reden möchte, blockt er oft ab und gibt mir das Gefühl, dass es ihn nicht interessiert. Dann ziehe ich mich zurück, die Stimmung kippt, der Abend ist gelaufen, ich fühle mich allein nd einsam, ... Ein Teufelskreis...
Solange ich physisch und psychisch zwäg bin, ist unser "Familiengerüst" recht stabil. Bin ich angeschlagen, läuft es schlecht. Ich bin der Barometer. Seit vier jahren weiss ich, dass ich Multiple Skerose habe. Eine zusätzliche Last. Auch wenn die Krankheit nicht agressiv verläuft, gibt es einige Einschränkungen, die ich fast täglich spüre: Probleme mit der Verdauung, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen... Dazu kommen zeitenweise Gefühlsstörungen in Armen und Beinen.
Manchmal überkommt mich ein Gefühl des Selbstmitleids, die Frage "Warum muss ich so viel Pech haben?" Und manchmal wenn es mir wirklich gut geht, denke ich "Ich schaffe das alles, ist doch nur halb so schlimm!"
Wer N trifft, sieht einen härzigen Jungen, der völlig gesund und "normal" aussieht. Wir werden oft gefragt: "Wie geht es ihm und euch?" Manchmal weiss ich gar nicht was ich antworten soll. Denn eigentlich geht es ihm ja gut. Aber nur dank diversen Medis und Infusionen und stundenlangen Therapien im Spital und und und...
Liebe Grüsse
Christine