Geistige Behinderung und Erziehung - wie macht Ihr das?

Hier könt ihr euch austauschen wenn eure Kinder hauptsächlich eine geistige Behinderung haben.(z.B. Down Syndrom)
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laabsnicole

Geistige Behinderung und Erziehung - wie macht Ihr das?

Beitrag von laabsnicole » 15. November 2015, 22:19

Hallo...
Ich habe ein 8 Jährigen Sohn...der von Geburt an körperlich und hauptsächlich geistig behinderte ist...
Mittlerweile hat er schon viele Operation hinter sich und sich sehr gut entwickelt...
Und doch komm ich manchmal an meinen Grenzen...bei der Erziehung...da es nicht einfach ist...solche besonderen Kinder zu verstehen...
Mein Sohn hat erst mit 5 Jahren selbstständig zu essen begonnen...Es war ein schwieriger Prozess...bis wir dies erreicht hatten...noch heute gibt es bei den Mahlzeiten Probleme...und wenn man z.B. ihn ermahnt und auffordet... das zu tun...was man sagt...werden die Mahlzeiten noch schlimmer...er lässt Stress...Wut...Traurigkeit und ähnliches ...über das Essen raus...oder er zieht sich innerlich zurück...wirkt in sich gekehrt...
Da es ihm unmöglich ist...Gefühle zu äußern...muss ich mir sehr viel Mühe geben...ihn zu verstehen...manchmal fällt es mir aber sehr schwer...
Was mich traurig macht...mein Problem ist Hauptsächlich...das ich für meinen Sohn immer da sein möchte und ihm helfen und unterstütze will...gemerkt haben...das ich es nicht immer kann...
Ich würde gern wissen...wie ihr damit umgeht...und zurecht kommt...
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orphan
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Re: Geistige Behinderung und Erziehung

Beitrag von orphan » 17. November 2015, 19:28

Hallöchen

Mein Sohn ist geistig so behindert, dass es keine "Erziehung" braucht. Er kann sich überhaupt nicht äussern. Es ist keine Kommunikation möglich. Trotzdem hat er bestimmt auch viele Bedürfnisse, die ich mit Sicherheit nicht immer errate.
Ich kenne das Gefühl, für ein Kind da sein zu wollen es aber nicht zu verstehen, sehr gut! Ich wünsche mir jeden Tag, dass ich für meinen Sohn mehr tun könnte. Dass ich ihn verstehen würde. Ihm helfen könnte. Es geht aber nicht. Niemand könnte das. Es macht mich traurig.
Ich hoffe, dass es reicht, dass ich einfach für ihn DA bin!

Wie ich damit umgehe? Eigentlich gar nicht. Ich versuche nicht zu oft daran zu denken!

Kannst du mit deinem Sohn kommunizieren? Äussert er sich so, dass du das Gefühl hast, dass er möchte, dass du mehr für ihn da bist oder ist das einfach nur dein Gefühl?

Vielleicht gibt's ja noch andere Antworten. Würde mich auch interessieren.
laabsnicole

Re: Geistige Behinderung und Erziehung

Beitrag von laabsnicole » 17. November 2015, 20:19

Hallo

Mein Junge kann sich gut verbal äußern...nur Gefühle kann er nicht in Worten fassen...weil er sie nicht versteht...wie viele andere Dinge auch...
Nur sein Verhalten zeigt mir einwenig...wie er sich fühlt...an was es liegen könnte...das muss ich dann herausfinden...wenn er zB. in der Schule anders als sonst ist...überlege ich...was in den letzten Tagen vorgefallen ist...nicht immer kann schaffe ich es...ihm gerecht zu werden...denn es gibt Verpflichtungen...die erledigt werden müssen...bei einem Kind...das mehr Aufmerksamkeit und Betreuung braucht...führt es automatisch dazu...dass sich das Kind zurückgestellt fühlt...denn es versteht es ja nicht...das auch andere Aufgaben erledigt werden müssen...dann kommt ein Verhalten zum vorschein...was wir verstehen müssen...es kann bis zu Entwicklungsrückschritten kommen...all das versuch ich zu vermeiden...und doch ist genau das mir gerade jetzt passiert...
Für mich gibt es in solchen Situationen...nur einen Weg...ganz intensive Momente mit ihm zu verbringen...um ihn zu zeigen...das er immer wichtig für mich ist...
Und doch kann ich ihn nicht alles durchgehen lassen...in seiner unwohlsein Phase ...kann auch er grob werden...aber bei unseren Kindern...muss man schon anders damit umgehen...ein Mitschüler in der Klasse meines Sohnes...kann sich auch nicht verbal äußern...doch kann er es zeigen...ob er fröhlich ist oder ihm etwas nicht gefällt...und das ist meist nicht schön...ich konnte einmal beobachten...wie er auf unterschiedlichen Stimmlage reagiert...und welche Wirkung diese auf sein Verhalten haben...und das ist meiner Meinung nach...auch Erziehung...
Das ist aber das Verhältnis: Lehrer / Schüler...Mutter / Kind ist etwas ganz anderes...und genau da...komm ich an meinen Grenzen...manchmal weiss ich einfach nicht...wie ich auf bestimmte Situationen reagieren soll...weil ich mich manchmal frage...was versteht er und was nicht...was überfordert ihn und was unterfordert ihn...
Und bisher...kann noch nicht mal ein Arzt mir behilflich sein...denn auch sie...können nicht in den Kopf meines Kindes schauen...was er denkt..

Ich hoffe...das noch einige...Erfahrungen schildern können...das ist ein Thema...was mir sehr nahe geht...weil ich mich manchmal so unbeholfen fühle...
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Re: Geistige Behinderung und Erziehung

Beitrag von Flavia » 17. November 2015, 21:17

Hallo

Eine Lehrerin hat es einmal treffend formuliert, in der Schule müssen sie lernen die Kinder "zu lesen".

Unser Sohn ist ganz ganz schnell überfordert, seit Jahren wird es immer schlimmer. Wir können kaum mehr wohin mit ihm. Sogar zu familiären Treffen ist es schwierig. Wenn etwas laut ist, ein Kind weint, ein Hund bellt, jemand schimpft oder streitet, eine Gabel auf den Boden fällt e.t.c. sobald er so etwas wahrnimmt wird er bleich, verkrampft sich beginnt dann zu spucken, kneifen, schlagen.Auf die andere Hand und auf die Lippen beisst er sich während dessen....

Da kann man nicht mehr viel erziehen sondern versucht alle Situationen zu vermeiden, die einen solche "Anfall" auslösen können.
Er hat sich dann überhaupt nicht im Griff. Das "behindert sein" von ihm finden wir nicht schlimm, sondern solche Situationen.

Wenn neue Fachpersonen mit unseren Sohn arbeiten, können es zu beginn sehr schwieige Monate sein.Da wird dann alles probiert dass er nicht mehr spuckt, dass er nicht nach 5 Minuten müde sein "darf".Erst wenn er dann zwei drei Mal total "austickt" wird mit ihm anders umgegangen. Wenn ich uns von aussen beobacte denke ich auch den sollte man mehr erziehen ;-).

Wir nehmen bei ihm nur zwei Emotionen wahr. "Wut" und Freude. Wir vermuten dass er auch viel Angst hat, dies dann aber mir kneifen und spucken kund tut.(Z.B. wenn das Schultaxi oder wir an einem Ort halten muss, die er nicht gewohnt ist, wie Baustelle, Stau...)

Freude kann er SEHR zeigen, das erleichtert einem vieles!

Ui, jetzt bn ich etwas vom Thema abgekommen, sorry :-).

Schwierig finde ich es sowieso, wobei auch bei den Gesunden.

Liebe Grüsse Flavia
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orphan
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Re: Geistige Behinderung und Erziehung

Beitrag von orphan » 19. November 2015, 13:01

Hallo Flavia

Solche Momente, wie du sie schilderst, kenne ich von früher als mein Sohn noch Gegenstände durch die Wohnung schmeissen konnte. Durch seine extremen Wahrnehmungsstörungen wurde fast jede alltägliche Situation zur Katastrophe. Damals fand ich auch seine Behinderung nicht schlimm aber die Situationen! Heute ist mein Sohn nicht mehr dazu in der Lage ...

Kann mir aber gerade gut vorstellen, dass ihr eine ziemlich schwierige Zeit habt!

Und den Satz, dass man die Kinder "lesen muss" ... gefällt mir! Genau das ist es. Man muss lernen die Kinder zu lesen!

Wünsche euch allen eine schöne Zeit.
Elefant42
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Re: Geistige Behinderung und Erziehung - wie macht Ihr das?

Beitrag von Elefant42 » 15. Oktober 2021, 10:36

Hallo zusammen

Ich bin dran ein Buch zu schreiben für Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung. Darin soll es auch um das Thema Erziehung gehen. Ich habe selbst eine Hemiparese und eine meiner Töchter hat Tetraparese. Im Buch geht es um das alltägliche Leben mit Kindern mit Beeinträchtigung. Wie wir am besten erziehen, Entwicklungsschritte unterstützen können und selbst nicht ausbrennen.
Die Marte Meo Kommunikation ist dabei ein zentrales Thema. Marte Meo ist eine bildbasierte Methode und ich möchte gerne verschiedene Marte Meo Bilder ins Buch integrieren von verschiedenen Kindern.

Deshalb möchte ich dir die Möglichkeit geben die Marte Meo Methode zu lernen und im Gegenzug dürfte ich dann beste Bilder mit deinem Einverständnis nutzen.

Melde dich doch unter Eva.Zurlinden@gmx.ch

Ich würde mich wirklich freuen dich und dein Kind kennenzulernen!
DianaDi
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Re: Geistige Behinderung und Erziehung

Beitrag von DianaDi » 15. März 2022, 15:04

orphan hat geschrieben: 17. November 2015, 19:28 Hallöchen

Mein Sohn ist geistig so behindert, dass es keine "Erziehung" braucht. Er kann sich überhaupt nicht äussern. Es ist keine Kommunikation möglich. Trotzdem hat er bestimmt auch viele Bedürfnisse, die ich mit Sicherheit nicht immer errate.
Ich kenne das Gefühl, für ein Kind da sein zu wollen es aber nicht zu verstehen, sehr gut! Ich wünsche mir jeden Tag, dass ich für meinen Sohn mehr tun könnte. Dass ich ihn verstehen würde. Ihm helfen könnte. Es geht aber nicht. Niemand könnte das. Es macht mich traurig.
Ich hoffe, dass es reicht, dass ich einfach für ihn DA bin!

Wie ich damit umgehe? Eigentlich gar nicht. Ich versuche nicht zu oft daran zu denken!

Kannst du mit deinem Sohn kommunizieren? Äussert er sich so, dass du das Gefühl hast, dass er möchte, dass du mehr für ihn da bist oder ist das einfach nur dein Gefühl?

Vielleicht gibt's ja noch andere Antworten. Würde mich auch interessieren.
Hallo ich heisse Diana meine Tochter Amy ist schwerbehindert und es ist manchmal sehr schwer zu merken oder sehen was sie nun braucht. Sie kann sich zwar mitteilen mit Lachen wenn es ihr gut geht weinen wenn nicht aber wenn sie schmerzen hat muss ich selber rausfinden wo sie diese hat. Ich verstehe dich gut wenn man nicht wirklich weiss was sein Kind will oder braucht aber auf der anderen Seite glaube ich auch , alleine das du bei ihm bist ihn berührst mit im redest oder schmusen oder einfach mal was vorlesen . Den am schluss wiessen wir ja nicht was und wieviel sie mitbekommen und verstehen. Aber ich glaube das sie es zu 100% spühren das wir da sind. Oder lass mal eine Kassete laufen Musik oder Geschichten. Er braucht dich und das Gefühl dass da was ist .Er wird dich spühren glaube mir denn kein Arzt spührt das was eine Mutter spührt daher wirst du ihn spühren und er dich .
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orphan
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Re: Geistige Behinderung und Erziehung - wie macht Ihr das?

Beitrag von orphan » 15. März 2022, 23:17

Sali Diana

Schön, von dir zu lesen ... und auch interessant den alten Beitrag zu lesen. Meine Aussage ist von 2015 ... das war vor 7 Jahren!

Mein Sohn ist inzwischen 18 Jahre alt und ich verstehe auch ohne Kommunikation oft sehr gut, was er mir mitteilen möchte oder was ihm fehlt. Seine Krankheit ist fortgeschritten und die Pflege/Betreuung sehr intensiv. Und ja, wir "spüren" uns sehr gut :wink: !

Wie alt ist Amy? Was genau hat sie und von wo seid ihr?
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