Dysphasie als Kind- und heute macht sie eine Lehre im Gesundheitswesen

Hier könnt ihr alles einstellen, das nicht zu einem der oben angeführten Themen passt
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Marceline
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Dysphasie als Kind- und heute macht sie eine Lehre im Gesundheitswesen

Beitrag von Marceline » 5. April 2006, 11:29

Hallo miteinander!
Ich habe eine 7-jährige Tochter die Dysgrammatismus und eine leichte Dyslalie hat. Diese beiden Begriffe werden auch mit Dysphasie umschrieben. Kein Arzt kann sagen warum sie diese Sprachentwicklungsstörung hat. Ihr Gehör ist normal. Sie hatte keine Krankheiten oder Unfälle, die hirnschädigend hätten sein können. Sie hat ansonsten keine Behinderung.
Sie geht seit fast 3 Jahren in die Logopädie wo sich eine leichte Verbesserung abzeichnet. Nimand kann sagen, ob das Problem je ganz "verschwindet" oder ob sie sprachlich immer auffällig bleiben wird.
Sie wurde im August 05 in die Regelschule eingeteilt, da sie ansonsten durchschnittlich intelligent ist.
Sie wird von den Mitschüler/innen im Grossen und Ganzen gut akzeptiert, wird aber auch hin und wieder wegen ihrer Sprache ausgelacht.
Sie ist ein fröhliches aufgestelltes Kind und sie selbst macht sich wegen ihrer Sprachprobleme weniger Sorgen als wir.
Ich suche vorallem den Kontakt mit Eltern die ebensolche dysphasischen Kinder haben um Erfahrungen auszutauschen.
Mit herzlichen Grüssen
Marceline
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Beatrice
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Beitrag von Beatrice » 29. Juni 2006, 17:41

Liebe Marceline

Ich kann Dir keine Infos aus eigener Erfahrung liefern, kenne aber ein Kind, auf das deine Beschreibung zutreffen könnte. Ob es aber tatsächlich Dysphasie hat, weiss ich nicht. Man denkt bei ihr eigenlich mehr, dass sie extrem schüchtern ist. Sie spricht zwar mit ihrer Mami, aber bereits bei der Oma, die im selben Haushalt wohnt und die sie eigentlich gut kennt, spricht sie, wenn überhaupt nur noch flüsternd.

Ich habe im Netz Adressen gefunden, vielleicht könntest Du dort auch Kontakte finden
http://www.bildungsserver.be/desktopdef ... ead-31711/
http://www.dysphasie.org/
http://www.audiva.de

Liebe Grüsse

Beatrice
Zuletzt geändert von Beatrice am 5. Oktober 2013, 19:35, insgesamt 3-mal geändert.
Marceline
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Beitrag von Marceline » 29. Juni 2006, 21:48

Liebe Beatrice
Vielen Dank für Deine wertvollen Tipps!
Werde mich weiterhin schlau machen....

Das Kind, welches Du kennst, wie alt ist es? Wenn es mit der Mutter spricht stimmt der Aufbau der Sätze? Sind alle Buchstaben wie zum Beispiel auch x oder sch richtig gesprochen?
Meine Mutter versucht auch übermässig meine Tochter zu korrigieren, weshalb sie sich öfters genervt von ihr abwendet und nur das Nötigste mit ihr spricht. Vielleicht versucht das Kind welches Du kennst mit flüstern Sprachunsicherheit zu "verstecken".

Meine Tochter hat soeben ihr erstes Schulzeugnis erhalten. Sie hat im Deutsch das Lernziel erreicht, obwohl sie sprachlich noch immer sehr auffällig ist. Aber es zeigt sich, dass es ihr einiges hilft, dass sie nun, wenn auch noch nicht flüssig, lesen kann. Trotzdem wird sie noch längere Zeit in die Logopädie gehen müssen, vorallem damit kein Entwicklungsstillstand auftritt.

Herzliche Grüsse
Marceline
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Beatrice
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Beitrag von Beatrice » 29. Juni 2006, 22:34

Liebe Marceline

Hast Du eventuell heute abend um 20.00h auf SF1 den DOK über Simon angeschaut? War eindrücklich und mutmachend und zeigt, dass wenn man Kindern Chancen zur Entwicklung gibt, sie sich auch einstellen.
Es ist schön, dass Deine Tochter das Lernziel erreicht hat, solche Erfolgserlebnisse sind so wichtig, denn es nagt, wenn man immer nur ungenügend sein soll. Ich kenne das aus meiner eigenen Kindheit gut. Ich war sprachlich gut, aber wegen der Sehbehinderung stark hinten nach und man liess es mich spüren.
Das Mädchen, das ich kenne ist inzwischen 10 Jahre alt. Ich weiss nicht, wie es in der Schule geht. Sie ist die Tochter einer ehemaligen Kollegin im Verkauf, wo ich arbeitete und ich erlebte sie nur, wenn sie mit der Mama oder eben mit der Oma einkaufen kam. Ich konnte aber ehrlich gesagt, nie einen Sprachfehler bei Naina ausmachen, die wenigen Male, als sie mit ihrer Mutter in meiner Gegenwart sprach.
Die Oma klagte mir mal ihren Kummer, dass Naina offensichtlich ihr nicht vertraut, weil sie nur flüstert mit ihr. Das hat mich sehr betroffen gemacht, denn diese Oma wäre eine Traumoma für viele und ich habe herausgehört, dass sie traurig ist.
Im übrigen hatte ich einen guten Draht zu den behinderten Kindern, welche zu uns in den Laden kamen, ich bin offen ihnen gegenüber und sie spürten das, auch die Mütter.
Aber Naina hat auch nie mit mir gesprochen, keinen Gruss erwidert, kein Lächeln für mich gehabt.
Trotzdem habe ich sie aber immer begrüsst und nachher tschau gesagt.

Jetzt kann ich ja leider nicht mehr arbeiten, daher fehlt mir nun der Kontakt zu diesem Kind - aber ich hoffe, sie wie auch Deine Tochter findet den Weg, sich sprachlich auszudrücken auf eine gute Weise. Logopädie ist sicher eine wichtige Säule auf diesem Weg.

Ich wünsche Euch immer wieder Erfolgserlebnisse, die wie warme Sonnenstrahlen die düsteren Prognosen erhellen und eines Tages den Sieg.

Liebe Grüsse

Beatrice
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Beitrag von Beatrice » 5. Juli 2006, 17:15

Liebe Marceline

Habe nochmals eine Adresse für Dich gefunden für die Kontaktsuche.
Schau mal unter:
http://www.sprachlos-ohne-diagnose.de/

Liebe Grüsse
Beatrice
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Re: Dysphasie

Beitrag von Marceline » 5. Oktober 2014, 23:50

Hallo
Lang ist es her, dass ich hier war....
Aber ich denke es ist vielleicht ermutigend für andere Eltern mit jüngeren Kindern, wenn ich jetzt erzähle was alles in den vergangenen Jahren gelaufen ist.
Meine Tochter ist unterdessen fast 16 Jahre alt. Sie hatte wegen ihrer Dysphasie seit dem ersten Kindergarten (also mit 41/2J.) Logopädie. Diese Stütze bekam sie während 7 Jahren. Anfänglichs 2mal pro Woche dann 1mal. Anfägnlichs ging es vorallem darum die Dyslalie zu therapieren, anschliessend den Dysgrammatismus. Nach diesen 7 Jahren kam man zum Schluss, dass keine weiteren Fortschritte mehr erziehlt werden können und meine Tochter mit dieser Störung, die allerdings stark gebessert hatte leben muss. Sie bekam dann noch während eines Jahres Unterstützung von einer Heilpädagogin, die sie parallel zum Unterricht förderte und nochmals tolle Fortschritte erreichte. Die Dyslalie ist fast vollständig verschwunden. Der Dysgrammatismus ist im schriftlichen noch erkennbar. Beim Wechsel in die Oberstufe verzichtete man bewusst, auf ausdrücklichen Wunsch meiner Tochter, auf eine weitere Therapie, das sie wollte mit den erlernten Strategien es sich selbst beweisen, dass sie mit der Dyphasie zu gange kommt. Sie und ich informierten und klärten allen Lehrpersonen über die Spracherwerbstörung auf und erreichten somit, dass sie wie eine Legasthenikerin entsprechend benotet wurde.
Meine Tochter muss nach wie vor für alles viel mehr Zeit aufwenden um zu lernen, vorallem auch Fremdsprachen. Sie ist aber sehr ehrgeizig und erreicht somit, mit dem "Legasthenie-Bonus" (Dysphasie kennen die Lehrpersonen nicht und können es nicht einordnen, aber Legasthenie ist für sie "fassbar") jeweils genau genügende Noten.
Sie hat nun im Herbst ihre Lehre als Fachfrau Gesundheit auf der Pflegestaion eines Altersheims angefangen. Auch dort sind alle über ihre Spracherwerbstörung informiert. Sie hat auch da ihre Strategien und ich bin sicher, dass, auch wenn sie ein Lebenlang mit diesem "Problem" zu gange kommen muss, ihren Weg machen wird.
Am Anfang ist man als Eltern sehr verzweifelt und gefordert, vorallem wenn das Kind etwas hat, das kaum einer kennt. Oder eben so die Standartsprüche: Das wird schon noch, mach dir keinen Kopf.
Meine Erfahrung ist aber, dass man unbedingt dran bleiben muss. Dem Kind die bestmögliche Stütze gibt, alle informiert und darauf besteht, dass das Kind entsprechend gefördert wird. Und unbedingt das Selbstvertrauen stärkt. Und als Eltern nie den Mut verlieren!
Alles Gute, herzliche Grüsse, Marceline
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Beatrice
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Re: Dysphasie als Kind- und heute macht sie eine Lehre im Gesundheitswesen

Beitrag von Beatrice » 4. Februar 2021, 22:51

Für alle, die von Dysphasie betroffen sind bzw. für Eltern betroffener Menschen (Kinder wie Erwachsene) hat Marceline eine Facebookgruppe gegründet, die ich Euch nicht vorenthalten möchte
https://www.facebook.com/DysphasieInfoUndAustausch/

Es ist noch traurig, finde ich, dass auf Schüler mit Legasthenie heute überall Rücksicht genommen wird, wenn es um Prüfungsziele geht, aber bei Betroffenen mit Dysphasie nicht.

Marceline ist auch weiterhin hier im Forum dabei und steht gerne mit Rat und Hinweisen allen zu Seite

Liebe Grüsse

Bea
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Re: Dysphasie als Kind- und heute macht sie eine Lehre im Gesundheitswesen

Beitrag von Marceline » 14. Oktober 2021, 19:59

Hallo Miteinander
Wieder ist ganz viel Zeit vergangen und ich möchte mal wieder ein Mut machendes up date zu meiner dysphasischen Tochter mit euch teilen.
Meine Tochter wird in 2 Monaten 23 Jahre alt und ist vor 14 Tagen zu Hause ausgezogen!
Es ist nach wie vor so, dass in der schriftlichen Kommunikation der Dysgrammatismus mal mehr mal weniger, je nach dem wie stark sie sich konzentriert, erkennbar ist. Darum kommt noch immer, wenn es um wichtie Schreiben geht, eine whats app Nachricht an mich: "Mami, kannst du das schnell durchlesen und korrigieren?!" Auch die Dyslalie blitzt manchmal ein ganz bisschen durch. ABER - und das ist das was allen Betroffenen und Angehörigen Mut machen soll: Meine Tochter hat nachdem sie die Lehre als Fachfrau Gesundheit abgeschlossen hat, zu erst ein bisschen die Welt bereist, danach ein halbes Jahr in einem Altersheim gearbeitet. Danach beschloss sie eine Weiterbildung als Pflegefachfrau HF, Schwerpunkt Kinder, zu machen.
Diese Ausbildung war während 3 Jahren immer 1 Semester Schule, 1 Semester Praktikum. Die Schulnoten, weil mal wieder keine Rücksicht auf die Dysphasie genommen wurde, waren immer gerade knapp im genügenden Bereich. Aber die Praktikumsnoten waren immer zwischen 5 und 5 1/2. Es wurde jeweils immer wieder hervorgehoben wie gut sie mit Menschen umgehen kann und vorallem dass sie sehr empathisch ist.
Die schriftliche Diplomarbeit bestand sie mit einer 4. Allerdings die mündliche Schlussprüfung bestand sie beim ersten Anlauf nicht. (Hauptgrund: Ihre Sätze seien zu knapp gewesen. [Und wie immer wurde keine Rücksicht auf ihre Dysphasie genommen]). Aber nach dem sie nochmals richtig fest geübt und gelernt hatte bestand sie jetzt im September auch noch die mündliche Prüfung. Die ganze Ausbildung war sehr streng für sie, aber sie hat nie aufgegeben und trotz aller Schwierigkeiten nie ihr Ziel aus den Augen verloren.
Seit Anfangs Oktober arbeitet sie nun im Spital auf der Kinderintensivstation.
Es ist nach wie vor so, dass die Dysphasie sie ein Leben lang begleiten wird und noch immer viel zu wenig Menschen überhaupt wissen, was Dysphasie ist. Vor 18 Jahren, als sie die Diagnose bekam, hätte ich nie zu träumen gewagt, dass sie je so einen Weg machen wird. Also nie den Mut verlieren auch wenn der Weg steinig, holprig, anstrengend und manchaml kaum begehbar ist.
Wenn jemand Fragen hat oder auch einfach nur mal "abladen" möchte, was man alles bei der Unterstützung, Förderung und Entwicklung des dysphasischen Kindes erlebt, darf mich gerne kontaktieren.
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Re: Dysphasie als Kind- und heute macht sie eine Lehre im Gesundheitswesen

Beitrag von Beatrice » 23. November 2021, 17:20

Liebe Marceline

Danke für Deinen mutmachenden Bericht, den Du uns geschrieben hast.

Ich bin sicher, sie wird ihren Weg gehen und ich wünsche ihr die nötige Portion Verständnis im Umfeld, aber vor allem immer Menschen, die an ihre Stärken glauben.

Liebe Grüsse
Bea
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Re: Dysphasie als Kind- und heute macht sie eine Lehre im Gesundheitswesen

Beitrag von Marceline » 23. November 2021, 21:48

Danke! 😘
Ebenfalls liebe Grüsse
Marceline
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